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Das Sächsische Curriculum der Ernährungs- und Verbraucherbildung

Schindhelm, A., Zubrägel, S. & Finke, A. (2012/2014)

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Das Sächsische Curriculum der Ernährungs- und Verbraucherbildung ist die wissenschaftliche Struktur des Lernportals „Junge Sachsen genießen“. Das Fundament des Lernportals wurde mit der Weiterentwicklung des theoretischen Bezugsrahmens – dem Europäischen Kerncurriculum zur (vor-)schulischen Ernährungs- und Verbraucherbildung (Heindl 2003) – gelegt, der im Folgenden erläutert wird. Aufgrund der Adaptierung und Anpassung der Theoriegebäude für die Handlungsfelder Bewegung, Spiel und Sport, Lebenskompetenz und Ernährungs- und Verbraucherbildung werden an dieser Stelle die theoretischen Grundlagen des Sächsischen Curriculums für Lebenskompetenz (Zubrägel, Schindhelm, Schuricht & Finke 2014) zitiert.

„Ausgangspunkt ist eine humanistische Bildungsauffassung. Bildung wird als ein offener, kontinuierlicher Prozess betrachtet, der sich nicht auf Kognition beschränkt, sondern auch Motivation und Emotion umfasst. (vgl. Becker, Oldenbürger & Piehl 1987) In diesem Verständnis ist Bildung ein „Transformationsprozess der Persönlichkeit ..., der sich in der Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst und der Welt vollzieht.“ (Grunert 2005, S. 11). Fuchs (2006, S. 7) sieht Bildung weiterführend als komplementären Begriff zu Leben: „Bildung kann als diejenige individuelle Disposition verstanden werden, die einen zu einem Leben befähigt, das bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllt: Selbstbewusstsein, Genuss, Anstrengungsbereitschaft, insbesondere die Bereitschaft, sein Leben selbst zu gestalten, selbst dafür zu sorgen, damit es ein gutes, gelungenes und vielleicht sogar glückliches Leben wird.“ Diesem Verständnis folgend wird mit Bezug auf Krappmann (2002, S. 33) „Bildung als Ressource der Lebensbewältigung“ verstanden.

Die Annäherung an Ernährungs- und Verbraucherkompetenz erfolgt über den handlungstheoretischen Ansatz und den Kompetenzansatz.
Der Kompetenzansatz hat in der Bildungstheorie und Schulpolitik in den letzten Jahren, auch in Reaktion auf die PISA-Studie von 2000/2001, an Bedeutung gewonnen. Er ermöglicht eine subjektzentrierte und institutionsunabhängige Annäherung an Ernährungs- und Verbraucherkompetenz als Voraussetzung für ein institutionenübergreifendes Curriculum. Die subjektzentrierte Perspektive wurde gegenüber der institutionengebundenen in Übereinstimmung mit dem Zwölften Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2005, S. 104) auch präferiert, um „der herkömmlichen Selbstbezüglichkeit einzelner Bildungsinstanzen“ entgegenzuwirken und der ganzheitlichen Sichtweise auf die Persönlichkeit in ihrer biopsychosozialen Einheit (Wessel 1988) gerecht zu werden. Dem Curriculum liegt das Kompetenzmodell von Roth (1971) zugrunde, das auch für die sächsischen Lehrpläne sowie für den sächsischen Bildungsplan relevant ist. Roth postuliert die Dimensionen Sachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz, in denen jeweils motorische, kognitive und sozial-affektive Komponenten vereint sind. Diese Dimensionen fließen im Begriff Handlungskompetenz zusammen. Sie entwickeln sich durch Handeln und werden im Handeln manifest. Mit Bezug auf die Ernährungs- und Verbraucherbildung spiegelt sich Handlungskompetenz in der Ernährungs- und Verbraucherkompetenz wider.
Kompetenzen im Allgemeinen werden von Weinert (2001, S. 27 f.) als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernten kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ beschrieben.

Die nationalen und die sächsischen Gesundheitsziele postulieren neben Ernährungs- und Verbraucherbildung auch Lebenskompetenz,
Bewegung, Spiel und Sport
und weitere Handlungsfelder als Dimensionen allgemeiner Bildung (vgl. GVG 2007). Hier kommt der Ansatz der
Gesundheitsförderung zum Tragen, der diese Handlungsfelder in ihrer Gesamtheit umfasst. Dabei wird Gesundheit mit Bezug auf Hurrelmann (1990, 93 ff.) [als der] „Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person [verstanden], der gegeben ist, wenn diese sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung in Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“ Gesundheitsförderung zielt auf Gesundheitskompetenz (Health Literacy). Der Verdienst von Sørensen et al. (2012) ist es, die unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Modelle von Gesundheitskompetenz zu einer ganzheitlichen Sicht zusammengeführt zu haben: „Health literacy is linked to literacy and entails people's knowledge, motivation and competences to access, understand, appraise, and apply health information in order to make judgments and take decisions in everyday life concerning healthcare, disease prevention and health promotion to maintain or improve quality of life during the life course.” Darin kommt zum Ausdruck, dass Gesundheitskompetenz eng mit Lebenskompetenz und Ernährungs- und Verbraucherkompetenz assoziiert ist. Deshalb ist die Förderung dieser Kompetenzen als elementare Strategie der Gesundheitsförderung anzusehen.“


Der Begriff Ernährungs- und Verbraucherbildung öffnet den Raum, auf curricularer Grundlage verschiedene pädagogische Ansätze, Konzepte und Inhalte zusammen zu führen, einschließlich derer im Bereich Ernährungserziehung. Ernährungs- und Verbraucherbildung wird damit als Oberbegriff für alle Bildungs- und Erziehungsprozesse postuliert, die der Förderung individueller Ernährungs- und Verbraucherkompetenz dienen.

Individuelle Ernährungskompetenz „wird als Fähigkeit definiert, theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten im Ernährungsalltag in ein angemessenes Handeln umzusetzen. Ernährungskompetenz als Schlüsselkompetenz in der Daseinsvorsorge unterstützt die Bewältigung und Gestaltung des Alltagslebens sowohl im häuslichen Ernährungsalltag (Koch- und Konsumkompetenzen) als auch im Marktgeschehen (z.B. Lebensmitteleinkauf).“ (Büning-Fesel 2008).

Individuelle Verbraucherkompetenz ist die Fähigkeit im alltäglichen Leben in unserer komplexen Konsumwelt über kompetentes Wissen und Verhalten in den Themen Ernährung, Gesundheit, Konsum, Werbung, Finanzen als auch Medien zu verfügen und sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Individuelle Ernährungs- und Verbraucherkompetenz ermöglicht es Kindern (und auch Erwachsenen), sich Ernährungs- und Verbraucherbildung in unterschiedlichen Lernfeldern, in unterschiedlichen sozialen Konstellationen und mit unterschiedlichen Motiven zu eigen zu machen und die entsprechenden Lern- und Erfahrungsräume für sich selbst und für andere sinnstiftend zu gestalten.

„Zur Subsumierung der Bildungs- und Erziehungsprozesse, die der Förderung individueller [...] [Ernährungs- und Verbraucherkompetenz] dienen, wird der Begriff der [...] [Ernährungs- und Verbraucherbildung] favorisiert. Zum einen wird damit einem Bildungsverständnis mit internationaler Perspektive Rechnung getragen; im englischen Sprachraum sind dem Terminus education Bildung und Erziehung in Einheit implizit. Zum anderen sollten sich die Bildungs- und Erziehungsprozesse in erster Linie auf die Stärkung von Kompetenzen und Ressourcen des Kindes richten. Das Kind steht im Mittelpunkt, eine Perspektive, die Schuster (2007, S. 8) mit Bezug auf die Bildungspläne Bayern und Thüringen betont: „... das Kind ist von Anfang an eine kompetente, seine eigene Erziehung und Bildung mitgestaltende Persönlichkeit.“ Der Begriff Erziehung erscheint damit unverzichtbar, denn er „hebt stärker auf die Perspektive der (äußeren, ergebnisorientierten) Gestaltung der Bildungsprozesse ab und betont insofern stärker die Perspektive der Erwachsenen.“ (Thüringer Bildungsplan 2008, S. 15). Der Begriff [...] [Ernährungs- und Verbraucherbildung] öffnet den Raum, auf curricularer Grundlage verschiedene pädagogische Ansätze, Konzepte und Inhalte zusammen zu führen, einschließlich derer im Bereich [...] [Ernährungserziehung]. [...] [Ernährungs- und Verbraucherbildung] wird damit als Oberbegriff für alle Bildungs- und Erziehungsprozesse postuliert, die der Förderung individueller [...] [Ernährungs- und Verbraucherkompetenz] dienen.“ (Finke, Schindhelm Zubrägel 2012, S. 1)


Das Sächsische Curriculum für Ernährungs- und Verbraucherbildung umfasst vier Lernfelder, die auf Grundlage des Europäischen Kerncurriculums zur (vor)schulischen Ernährungs- und Verbraucherbildung (Heindl 2003) sowie den Bildungszielen und Kompetenzen in der Ernährungs- und Verbraucherbildung (REVIS 2005) und der fachlichen Konkretion Verbraucherbildung (Lehrplan Schleswig-Holstein 2009) erarbeitet wurden.

Die Bildungsziele des Sächsischen Curriculums der Ernährungs- und Verbraucherbildung sind als komplexe Kompetenzerwartungen an 18-Jährige Erwachsene formuliert.

Der junge Erwachsene ...
   > verfügt über ein positives Selbstkonzept in Bezug auf Essen und Ernährung.
   > gestaltet seine Essbiografie reflektiert und selbstbewusst.
   > gestaltet seine Ernährung gesundheitsförderlich.
   > handelt sicher bei der Kultur und Technik der Nahrungszubereitung und Mahlzeitengestaltung.
   > trifft Konsumentscheidungen reflektiert und selbstbestimmt sowie qualitätsorientiert.
   > gestaltet die eigene Konsumentenrolle reflektiert in rechtlichen Zusammenhängen.
   > verfügt über einen nachhaltigen Lebensstil.

Diese sind mit Kompetenzen im Sinne von Lernzielen untersetzt. Lernziele werden dabei als Tätigkeit oder Verhaltensweise verstanden, die der Lernende nach Erreichen des Zieles zeigen kann (vgl. Bielefelder Netzwerk für die sportpädagogische Praxis 2004). Die Kompetenzen wurden für die Aufbereitung in Lernfelder sowie nach Bildungsphasen und Altersgruppen gewichtet und konkretisiert, um die Bildungspotentiale für die Nutzer des Lernportals erschließbar zu machen.

Die Zusammenstellung und Bezeichnung der Lernfelder orientiert sich grundsätzlich am Europäischen Kerncurriculum für die (vor-)schulische Ernährungs- und Verbraucherbildung (Heindl 2003) als auch an der fachlichen Konkretion Verbraucherbildung des Bildungsministeriums von Schleswig-Holstein (2009). Im Ergebnis können sämtliche Inhalte und Angebote aus dem Spektrum der Ernährungs- und Verbraucherbildung unter den Prämissen von vier Lernfeldern betrachtet werden.

Durch die zwischen einzelnen Lernfelder existieren Schnittflächen kann die Betrachtung einzelner Aspekte aus Sicht mehrerer Lernfelder sinnvoll sein. Die Kompetenzen in jedem Lernfeld sind weiterhin nach Bildungsphasen bzw. Altersgruppen differenziert, wobei Bildungs- und Lehrplananforderungen Beachtung fanden. Die Bildungsphase bzw. Altersgruppe wird dabei als zeitlicher Ausdruck der Entwicklung und/oder als Einflussfaktor betrachtet (vgl. Payr 2011).

Im Lernportal www.lernportal-sachsen-geniessen.de sind Inhalte von Ernährungs- und Verbraucherbildung vom Elementar- bis zum Sekundarbereich II bzw. in der Altersgruppe 3 – 18 Jahre in den Gesamtzusammenhang der sächsischen Ernährungs- und Verbraucherbildung eingeordnet. In jedem Lernfeld erfolgte schließlich eine Aufbereitung der Kompetenzen für zwei Betrachtungsweisen: zum einen die Betrachtung im Verlauf der kindlichen Entwicklung nach Lernfeldern und zum anderen für die Betrachtung aus dem Blickwinkel einer Bildungsphase/Altersgruppe. Damit ist es einerseits möglich, sich über Kompetenzen im Verlauf der kindlichen Entwicklung im Allgemeinen Übersicht zu verschaffen sowie unter Lernfeldern. Die Aufbereitung unter dem Aspekt der Bildungsphase/Altersgruppe gibt andererseits Aufschluss, welche Kompetenzen in einem Lernfeld in einer konkreten Bildungsphase oder für eine konkrete Altersgruppe von Bedeutung sind bzw. für die bildungsphasen- bzw. altersgerechte Ausrichtung eines Ernährungs-/Verbraucherbildungsangebots.

Die Orientierung an gemeinsamen bildungsphasen- bzw. altersgruppenspezifischen Kompetenzen ist Voraussetzung für die umfassende Förderung individueller Ernährungs- und Verbraucherkompetenz durch verschiedene Akteure wie Eltern, Bildungseinrichtungen, Vereine. Auf Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses von Zielen und Kompetenzerwartungen wird ein abgestimmtes Zusammenwirken möglich.



  

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